Praxisbeispiel: Papierarmes Büro bei der Schreinerei Neumayer & Feller

Praxisbeispiel: Mustergültige Digitalisierung bei der Schreinerei Neumayer & Feller

„Einfach machen“, sagt Fabian Rendes, Geschäftsführer der Schreinerei Neumayer & Feller in Ettlingen, wenn er über die Digitalisierung im Handwerk spricht. Im Interview hat er uns erzählt, welche Bereiche er bereits erfolgreich digitalisiert hat, warum es wichtig ist, nicht abgehängt zu werden, und welche Rolle die Mitarbeiter bei der Digitalisierung spielen.

Herr Rendes, Sie leiten gemeinsam mit Ihrem Kollegen Marcel Becker eine Schreinerei mit zehn Mitarbeitern. Das Unternehmen besteht seit über 30 Jahren. Das Thema Digitalisierung wird in Ihrem Haus großgeschrieben. Wie würden Sie Ihren digitalen Reifegrad beschreiben?

Fabian Rendes, geschäftsführender Gesellschafter

Foto: © Neumayer & Feller

Fabian Rendes: Ausgehend von Stufe 1 bis 10 würde ich uns auf eine solide „6“ stellen. Wir versuchen, den digitalen Weg mitzugehen, und optimieren uns in dieser Hinsicht stetig.

Wann haben Sie begonnen, Ihr Unternehmen digital umzustellen?

Rendes: Anfang 2017 haben wir – bedingt durch die Anschaffung einer CNC-Maschine – begonnen, umzudenken. Seither investieren wir nach und nach ins sogenannte Handwerk 4.0. Ich sehe uns auf einem guten Weg und der Prozess läuft auch sehr gut.

Was war Ihnen dabei wichtig? Welche Gründe hatten Sie?

Rendes: Wichtig war uns einfach, mit der Zeit mitzugehen. Ich denke, viele Handwerksbetriebe werden es in den kommenden zehn Jahren schwer haben, wenn sie sich der Zeit nicht anpassen. Das wollten wir verhindern. Wir wollen stets modern und innovativ sein. Das war hier im Haus schon immer so. Den ersten Meilenstein dabei hat die CNC gesetzt. Diese Maschine ist computergesteuert. Mit der Anschaffung haben wir begonnen, die Rahmenbedingungen auszubauen.

Welche internen Prozesse konnten Sie bislang konkret optimieren?

Rendes: Eine ganze Reihe. Zum Beispiel haben wir damit begonnen, eine Vorgangsverwaltung einzurichten. Jede Anfrage wird in einem eigenen Vorgang von unserer EDV erfasst. Jeder Vorgang hat die gleiche Ordnerunterstruktur, sodass sich jeder recht schnell mit einem Vorgang vertraut machen kann und auch Dokumente schnell findet. In diesen Vorgang werden alle Dokumente eingespeichert, auch die Bilder vom Aufmaß, über die Montage bis hin zum fertigen Projekt.

Eine weitere Maßnahme war, auf unserer Homepage einen Möbelplaner zu platzieren. So hat der Kunde die Möglichkeit, jederzeit mit PC, Handy oder Tablet seine Möbelstücke zu planen oder einfach nur ein wenig rumzuspielen und Dinge auszuprobieren. Beispielsweise sonntagabends, wenn der Tatort nicht gefällt – eine Zeit, die für uns bisher undenkbar war, um an Kunden ranzukommen.

Auch der Laptop war uns wichtig. Die Mitarbeiter in der Produktion haben Stück für Stück Laptops zur Verfügung gestellt bekommen. Ziel ist es hier, dass irgendwann jeder Facharbeiter und jede Facharbeiterin einen eigenen Laptop hat, mit der Software, die notwendig ist, um Säge und CNC programmieren zu können, eventuell sogar, um Zeichnungen zu erstellen.

Außerdem verfügen wir über eine seriöse Firmengruppe, in der wir auftragsbezogen kommunizieren. Beispielsweise Bilder austauschen oder verschiedene Lösungen besprechen. Ein perfektes Bindeglied, wenn beide Entscheidungsträger nicht am selben Ort sind.

Ebenso haben wir begonnen, das WLAN im Haus mit einer befreundeten IT-Firma auszubauen. Der Empfang ist seither viel besser. Ebenfalls haben wir uns beim Ausbau des schnellen Internets in Ettlingen beworben, damit wir künftig noch schnelleren und sicheren Datenfluss haben. Hier müssen wir uns aber in Geduld üben, bei den Kommunen dauert gerne alles ein wenig länger …

Nicht zu vergessen die digitale Zeiterfassung: Die Mitarbeiter wurden mit Handscannern ausgestattet, Maschinen mit Barcodes versehen. So ist es uns nun möglich, eine zielgenaue Nachkalkulation vorzunehmen, und wir können sehen, welche Maschinen wie stark ausgelastet sind. Ein tolles Produkt.

Nutzen Sie eine Branchensoftware?

Rendes: Ja, von der Firma OSD, hier in Ettlingen. Von OSD haben wir mittlerweile recht viele Module, ergänzt werden diese durch unser eigenentwickeltes Kalkulationsprogramm.

Mit welchen IT-Lösungen arbeiten Sie? CRM-System, ERP, DMS, Apps?

Rendes: Wir nutzen quasi ein ERP-System von OSD und auch Telegram bzw. künftig vermutlich Craftnote.

Nutzen Sie IT-Infrastrukturen aus der Cloud?

Rendes: Einer der nächsten Schritte wird es sein, dass die Auftragsplaner mit einem Tablet ausgestattet werden. Mit diesem Tablet sollen bei Kundenterminen alle Infos und Bilder erfasst und dann via Cloud an die EDV übertragen werden.

Wie haben Sie in diesem Kontext das Thema Schnittstellen gelöst?

Rendes: Die Schnittstellen Büro/Werkstatt werden uns durch das Netzwerk und die Softwareprogramme der einzelnen Maschinen erleichtert. Die Schnittstelle Kunde/Büro soll mit den Tablets verbessert werden.

In welchen Bereichen sind für Sie neue Technologien am wichtigsten? Wo ist der Bedarf in Ihrem Unternehmen am größten?

Rendes: Seit 2017 haben wir jedes Jahr viel Geld in die Produktion investiert, um dem Kunden ein perfektes Ergebnis liefern zu können. Hier ist die Investition für die nächsten Jahre abgeschlossen. Ich möchte behaupten, dass nur wenige Schreinereien im Raum Karlsruhe ähnlich gut aufgestellt sind. Aktuell besteht Bedarf eher im Bürobereich. Die angesprochenen Tablets und ein neuer guter Server sollen folgen. Nach und nach, leider ist moderne Technik sehr teuer.

Wie mobil sind Ihre Mitarbeiter:innen, wenn sie draußen beim Kunden sind? Können alle auf relevante Daten von unterwegs zugreifen?

Rendes: Unsere Mitarbeiter werden im Vorfeld mit tagesnotwendigen Infos versorgt. In der täglichen morgendlichen Besprechung werden die einzelnen Aufträge und Abläufe besprochen und die Mitarbeiter mit Dokumenten ausgestattet. Bei uns ist es so, dass wir deutlich mehr Produktionszeiten haben als Montagezeiten. Sprich, meistens sind die Jungs im Haus und Absprachen dementsprechend sehr einfach. Finden Montagen statt, kommunizieren wir bei Bedarf übers Telefon, Einzelchats oder über die Firmengruppe. 

Sie haben auch eine mobile Zeiterfassung eingeführt. Wie sind hier Ihre Erfahrungen?

Rendes: Da unsere Handscanner mobil sind, nehmen die Mitarbeiter die Geräte auch mit auf die Montage. Sollte an einem Tag mehr als eine Montage stattfinden, können die Mitarbeiter ganz einfach unterwegs „umstempeln“.

Auch sonst haben Sie den Schritt zum papierlosen Büro gewagt

Rendes: Ja genau, wir versuchen, so wenig wie möglich Papier zu verwenden. Ganz auf Papier zu verzichten ist schwierig, weil das in der Produktion teilweise unumgänglich erscheint. Aber wir versuchen, den Kostenfaktor bzw. Umweltfaktor Papier so gering wie möglich zu halten.

Die Übermittlung zu unserem Steuerberater läuft seit geraumer Zeit auch schon papierlos ab. Gut und schnell für alle Beteiligten.

Wie sieht es mit dem Fuhrpark aus? Sind E-Mobilität und Nachhaltigkeit ein Thema?

Rendes: Ja, ist definitiv ein Thema, da wir eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach haben. Aktuell haben wir ein E-Fahrzeug, einen normalen Pkw für Aufmaßtermine etc. Eventuell folgt noch ein weiteres kleines Poolfahrzeug für Stadtfahrten oder Ähnliches. Die Montagefahrzeuge laufen noch mit Dieselmotoren. Hier haben wir zwei Fahrzeuge. Wenn sich das preislich interessanter entwickelt, sind wir auch hier der E-Mobilität nicht abgeneigt, da unsere Erfahrungen damit bislang sehr gut sind.

Für Ihr Engagement in Sachen Teilautomatisierung zugunsten des Arbeitsschutzes wurden Sie mit dem „Effizienz-Oscar“ ausgezeichnet. Schwere Arbeiten übernehmen in Ihrer Werkstatt jetzt zum Teil Maschinen

Rendes: Gesunde und motivierte Mitarbeiter sind wichtig. Je schonender und leichter es für die Mitarbeiter ist, desto motivierter und besser sind sie auch. Mit modernen Maschinen haben wir nicht nur eine perfekte Qualität geschaffen, sondern bewirken auch, dass die Mitarbeiter richtig Lust haben, mit diesen Maschinen zu arbeiten, und ihre Kräfte geschont werden. Außerdem haben wir kleinere Maßnahmen umgesetzt, z. B. höhenverstellbare Arbeitstische.

Was ist Ihnen in der Kommunikation mit den Kunden besonders wichtig?

Rendes: Nichts ist wichtiger als das Erstgespräch mit dem Kunden. Ich nenne das manchmal auch die Bedarfsanalyse. Hier versuche ich, festzustellen, wie der Kunde tickt, welche Wünsche er hat und was ihm besonders wichtig ist. Manchmal ist ihm die Qualität wichtiger, manchmal der Preis. Auffällig ist, dass die Kommunikation sich verstärkt auf E-Mail verschiebt und die Telefonate weniger werden.

Vielen Handwerksunternehmen ist nicht klar, wie wichtig Vernetzung heute ist. Warum ist Ihrer Meinung nach der Blick über das eigene Unternehmen hinaus so elementar wichtig?

Rendes: Man muss einfach die Scheuklappen ablegen und über den Tellerrand hinausschauen. Ich schaue mir viel von großen Firmen ab, weil ich es sehr interessant und spannend finde, wenn 200 bis 300 Menschen zusammenarbeiten und trotzdem ein guter Durchfluss in der Firma herrscht, neudeutsch Workflow. Wir in der Schreinerei Neumayer & Feller versuchen immer, auf dem neuesten Stand zu sein, und informieren uns in alle Richtungen über wichtige Neuheiten, egal ob Technik oder fachspezifische Dinge.

Haben Sie für Ihre Digitalisierungspläne im Vorfeld eine Struktur, einen Fahrplan entwickelt?

Rendes: Jein, anfangs nicht so stark. Heute verfolgen wir schon eher unsere Ziele und den dafür notwendigen Fahrplan. Wichtig dabei ist immer, dass alle mit im Boot sind, also auch die Mitarbeiter. Deswegen gibt es bei uns einmal im Jahr einen Team-Tag. An diesem Tag wird nicht produktiv gearbeitet, sondern wir widmen uns den Zielen und Wünschen für das nächste Jahr und arbeiten das vergangene auf. Auch die Digitalisierung spielt dabei eine große Rolle, letztlich betrifft das ja auch alle und nicht nur die Geschäftsführung.

Wo haben Sie sich Inspiration und Anregungen geholt?

Rendes: Wie bereits angesprochen, bei größeren Industriefirmen. Ich durfte sogar bei einer fachfremden Firma reinschnuppern und konnte mir ein paar gute Ideen abgreifen. Ansonsten über Presse, Internet und Recherche.

Haben Sie Risiken in Kauf genommen?

Rendes: Natürlich, mit jedem Projekt investiert man ein gewisses Geld. Eine digitale Zeiterfassung beispielsweise kostet circa 5.000 Euro netto. Man muss sich das schon gut im Vorfeld überlegen. Ergibt das Sinn? Lohnt sich das? Ist dem nicht so, dann ist das Geld verloren. Bisher war aber jede unserer Investitionen sinnvoll und hat sich am Ende ausgezahlt. Ich hoffe, das bleibt so …

Mit der Digitalisierung ändern sich auch Arbeitskultur und Mitarbeiterführung. Wie agil ist Ihre Schreinerei aufgestellt? Welche Rolle spielen Ihre Mitarbeiter bei den Veränderungsprozessen? Gab es Widerstände?

Rendes: Wie bereits erwähnt, beziehen wir die Mitarbeiter in neue Ideen mit ein. Manchmal sind die Mitarbeiter gleich begeistert, manchmal erst später. Manchmal kommt auch die Idee vom Mitarbeiter, und man ist überrascht, wie stark die Leute mitdenken. Manchmal werden Ideen aber auch wieder verworfen – alles sehr individuell, würde ich sagen.

Ist der Grad an Digitalisierung und Innovation auch mit ein Grund dafür, dass Sie auch als Ausbildungsbetrieb attraktiv sind?

Rendes: Klares Ja. Wir haben bereits jetzt das Ausbildungsjahr 2021 voll besetzt, das gab es noch nie. Jungen Menschen gefällt es, mit modernen Maschinen und innovativer Technik zu arbeiten. Wir hatten nie Probleme, Azubis zu finden, trotzdem ist es auffällig, dass so viele Bewerbungen bei uns ankommen. Ich kenne Handwerkerkollegen, die wären froh, wenn sie nur eine Bewerbung erhalten würden.

Welches sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Erfolgsfaktoren für die Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben?

Rendes: Ideen abwägen, Fahrplan erstellen, Investition riskieren.

Was raten Sie Handwerksunternehmen, die noch am Beginn der Digitalisierung stehen? Worauf kommt es an? Welche Fehler kann man vermeiden?

Rendes: Grundsätzlich, finde ich, gibt es keine Fehler. Wenn eine Idee im Unternehmen nicht zu 100 Prozent funktioniert hat, darf man den Mut nicht verlieren, man ist dann um eine Erfahrung reicher. Ich würde mich im Vorfeld über verschiedene Medien ausreichend informieren, die Mitarbeiter mit ins Boot nehmen und dann einfach machen. Der Rest kommt step by step von ganz allein. 

Was steht als Nächstes auf Ihrer Digitalagenda?

Rendes: Tablets fürs Büro und ein neuer Server.

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