1994 – Ein Verlag wird digital(er)

In diesem Jahr stoße ich, Susanne Fischer zum Verlagsteam dazu. Nach fünfjähriger Außendienstzeit beim Fotosatzgeräte-Anbieter Mannesmann Scangraphic wollte ich weniger reisen und mehr operativ arbeiten. Als Industriemeisterin Druck war ich zum damaligen Zeitpunkt in der Druckvorstufe zuhause und passte daher mit meinem Know-how hervorragend zu einem Verlag. Ich hatte noch eine analoge Ausbildung gemacht und mit Schere und Kleber gearbeitet. Digital bedeutete zu diesem Zeitpunkt, dass an extrem teuren und großen Computern über Befehlsketten layoutet wurde. Wir sahen erst nach der Belichtung, ob wir alles richtig gemacht hatten oder ob sich ein Fehler eingeschlichen hat. AV – also Arbeitsvorbereitung – war elementar wichtig, schließlich wollte niemand umsonst belichten und dann auf Fehlersuche in den Codes gehen. Auch hier war eine geschlossene Welt, allerdings zeichnete sich durch Herrn Jobs ab, dass hier jemand in den Markt drängte, der es einfacher machen wollte. Die alteingesessenen Firmen wie Linotype, Monotype, Berthold oder später auch Mannesmann Scangraphic hatten den Markt unter sich verteilt und nahmen den Rivalen nicht als solchen wahr. Eine vorübergehende Erscheinung, die sich niemals durchsetzen würde. Sie sollten sich irren.

Mit meiner frisch gegründeten eigenen Agentur erstellte ich neben eigenen Projekten auch die Druckerzeugnisse für G+F. Als Ehefrau war ich enge Beraterin von Andreas. Wir planten bis 2020 immer wieder neue Projekte, führten oft hitzige Diskussionen über die tatsächliche Umsetzbarkeit, um sie dann mit Heiko gemeinsam in Angriff zu nehmen.

Apple Macintosh & WYSIWYG

Gestartet habe ich mein Business dann auch mit einem Apple Macintosh – so, wie das damals in der grafischen Industrie üblich war. Wir arbeiteten mit Pagemaker und mit QuarkXpress. Wenn ich mir die Rechnungen über die damals gekaufte Hard- und Software anschaue – unvorstellbare Summen, die da abgerufen wurden und jedes zusätzliche Gerät eine Investition, die sich gut überlegt wurde. Die Apple-Computer waren einfach zu bedienen, aber geschlossene Systeme, eine günstigere Peripherie anzuschließen nahezu undenkbar. Nur bestimmte ausgewählte Hersteller konnten an den „Mac“ angeschlossen werden. Der Vorteil, der sich daraus ergab: wirklich jeder konnte damit arbeiten, man brauchte keine IT-Kenntnisse. Plug&play. Und – bereits damals gab es eine Oberfläche, mit der man sehen konnte, wie die fertige Seite aussah. What you see is what you get. Etwas, was zum damaligen Zeitpunkt in der Windows-Welt nur mit CorelDraw ansatzweise möglich war. Corel war in der grafischen Szene allerdings nicht sehr beliebt. Die Ausgabe für den Druck war bei weitem nicht so professionell zu handhaben wie in der Adobe-Welt. Layouter oder Setzer, wie sie sich damals nannten, waren stolz auf ihr Fachwissen. Die Investitionen in ein Apple-System war zwar teuer aber verglichen mit eine Fotosatzsystem ein Bruchteil. Ein Corel-System nutzten – so war das damalige Denken – nur diejenigen, die Quereinsteiger waren und keine Ahnung hatten. Wer etwas auf sich hielt, arbeitete mit Apple.

Windows macht das Arbeiten einfacher

Ganz anders sah es beim Büroteam aus. Unsere Windows-Rechner liefen bereits mit Windows 3.1. Zwar ein offenes System, aber stör- und fehleranfälliger. Wer sich mit der DOS-Welt nicht beschäftigen wollte, war verloren. Wir haben erbitterte Diskussionen geführt, welches System nun das bessere sei. Apple oder Microsoft, Jobs oder Gates? Das offene System oder das geschlossene? Solche Diskussionen sind heutzutage nicht mehr notwendig. Einheitliche Standards und Cloud-Systeme lassen das „Front-System“ in den Hintergrund rücken.

Wie wurde eigentlich eine Zeitschrift produziert? 

Meine Aufgabe war es, die zu druckenden Zeitschriften am Mac zu gestalten. Um die fertige Seite drucken zu können, mussten Filme ausbelichtet und von diesen Druckplatten erstellt werden. An den Druckplatten hat sich bis heute nichts geändert, trotz Digitaldruck.

Die Ausgabe auf Film über einen Belichter konnte nur erfolgen, wenn die Datei als geschlossene Postscript-Datei auf einen Datenträger abgespeichert und zum dienstleistenden Unternehmen zur Belichtung gefahren wurde. Eine Datenübertragung gab es noch nicht. Die Datenträger waren groß, der Speicherplatz von 44MB erschien uns als riesig. Für heutige Verhältnisse natürlich ein Witz. Eine falsche oder eine vergessene Datei bedeuteten, dass man nochmal ins Büro fahren musste, um die Datei neu zu schreiben. Wir verbrachten je nach Zeitschriftenumfang Tage im Belichtungsstudio – inklusive Nachteinsätzen und Korrekturschleifen direkt vor Ort. Für jede Seite vier Filme, so, wie es auch heute noch stattfindet.

Aber es zeichnete sich schon eine Verbesserung statt. Es gab Karten für den Mac, der eine Datenübertragung mit Kanalbündelung über ISDN zuließ. 128kB Übertragungsgeschwindigkeit – Wahnsinn. Das ganze natürlich über eine extrem teure Karte (> 2.000 DM) für den Mac. Der Anbieter Hermstedt ist mittlerweile insolvent und auch QuarkXpress gibt es nicht mehr. Adobe hat im Bereich der Druckvorstufe die Marktführung übernommen. Damals kaufte man die Software auf CD-ROM und bezog jährlich oder zweijährig ein Update.

Die Marktriesen sind alle Geschichte

Was uns dieser kleine Ausflug zeigt ist, wie sich ein Strukturwandel in der grafischen Industrie vollzogen hat, der vermeintlich große und sichere Unternehmen pulverisiert hat. Die Kunden wollten kleinere und leichtere Produkte und haben sie bekommen. Dienstleister, die sich nur auf die Belichtung spezialisiert oder das Layout über die schwerfälligen Fotosatzanlagen spezialisiert hatten bekamen plötzlich Konkurrenz von Firmen, die mit einem Mac oder einem Windows-Rechner auch gestalten konnten. Kunden stellten sich selbst einen Rechner ins Büro anstatt sämtliche Layoutarbeiten außer Haus zu geben. Das Tauschen von Daten wurde plötzlich gefordert.

Mitarbeiter, die sich über Jahre mühsam Expertenwissen im Umgang mit Fotosatzanlagen aufgebaut hatten fiel es schwer, dass ihr Wissen plötzlich nichts mehr wert war. Die Bedienung von PC und Mac war wesentlich einfacher und – ein Riesenvorteil – man sah direkt am Bildschirm, was später ausgegeben wurde. Wichtig wurden jetzt die Fähigkeit fehlerfrei zu arbeiten und ein Auge für die Gestaltung zu haben. Dieses Fachwissen hatte nicht jeder Self-Made-Grafiker und es gab wirklich üble Auswüchse der Gestaltungsfreiheit.

Was können wir von der Entwicklung lernen?

Kein Geschäftsmodell ist sicher. Kein Expertenwissen für die Ewigkeit. Diejenigen, die sich hinter ihrem Wissen verstecken und glauben, dass ihnen Quereinsteiger in den Markt nichts anhaben können, irren. Der Kunde bestimmt, welche Services er nutzen möchte und er wird dort kaufen, wo er sie bekommt.

Foto: studiostoks / stock.adobe.com